Das Haus Zu den drei Römern mit der Adresse Markt 40 in der Neuen Altstadt von Frankfurt am Main ist geschaffen worden vom Architektenduo Jordi und Keller. Es ist eine Neuschöpfung, die mit der Architekturgeschichte von Frankfurt spielt. Zudem sind auch einige charmante Geschichtchen eingebaut. Das Haus hat ein Hausmotto („Heraus mit den Tröpfgen“) und Reimsprüche, die über den Auskragungen umlaufend in den Sandstein gemeißelt sind. Woher diese Sprüche stammen, ist eine gelegentlich gestellte Frage.
Georg Wilhelm Pfeiffer, Der Mann aus dem Römer
http://gutenberg.spiegel.de/buch/-9182/21
Die Inschriften stammen vom Haus „Kleiner Römer“. (auch „Kleiner Flößer“: südliches Ender der Rapunzelgasse, an der Flößergasse, am Römerberg und Fünffingerplätzchen gelegen). Es wurde 1934 im Erdgeschoss zu einer Bedürfnisanstalt für die Besucher der Römerberg-Festspiele umgebaut. [siehe auch F. Lübbecke, Das Altstadt-Modell der Gebr. Treuner].
Georg Wilhelm Pfeiffer, Der Mann aus dem Römer überliefert uns in seiner Novelle „Der Mann aus dem Römer“ diese Texte auf der Fassade des kleinen Römers und er gibt uns seine Vorstellung zum Besten, warum diese Inschriften entstanden sind. Sie werden bei der Hauseinweihung des „Kleinen Römers“ die Inschriften freigelegt:
„Über der Eingangstür im Schlußsteine des Bogens zeigte sich nun auf einem Wappenschilde ein Römerglas, oben darüber ein Band mit der Inschrift: Zum kleinen Römer, und darunter die Jahreszahl 1720 sowie die Buchstaben P. I. R., unter dem Schild selbst aber ein zweites Spruchband mit der Inschrift: Heraus mit dem Tröpfchen. (…)
Dieser näherte sich jetzt in gravitätischem Schritte den Eckpfeilern seines Hauses, wohin ihm die Eingeladenen ebenfalls folgten. Hier zeigte er auf zwei in gedachten Pfeilern eingesetzte durch Steinhauerarbeit ausgezierte Tafeln mit Inschriften.
Neugierig reckten alle die Hälse. Da gebot Reinhart Ruhe und als diese eingetreten war, richtete er stolz den Kopf zu der einen Inschrift empor und las:
»Dorn und Disteln stechen sehr.
Falsche Zungen noch viel mehr.
Doch wil ich lieber durch Distel und Dorn baden,
Als mit falschen Zungen sein beladen.«
Darauf zu dem anderen Eckpfeiler tretend, trug er auch hier die in Stein gehauene Schrift vor:
»Wann der Neid brend wie das Feuer,
So wer das Holz nicht halb so teuer,
Weren der Neider noch so vil,
So geschieht doch, was Gott haben wil.«“
In den Anmerkungen steht noch folgendes:
„Die Inschrift über der Haustür lautet:
ZVM KLEINEN RÖMER
1720
P I R
HERAVS MIT DEM DRÖPFGEN
An der Südwestecke:
DORN || VND DISTEL STECHEN || SEHR FALSCHE ZVNEN NOCH || VIEL MEHR DOCH WILL ICH LIEBER || DVRCH DISTELN VND DORNEN BADEN || ALS MIT FALSCHEN ZVNGEN || SEIN BELADEN
An der Südostecke:
WAN DER || NEID BREND WIE DAS || FEVER SO WER DAS HOLTZ || NICHT HALB SO TEVER VND || WEREN DER NEIDER NOCH || SO VIL SO GESCHICHT || DOCH WAS GOTT || HABEN || WILL“
Ursprünge
Pfeiffer hat vermutlich die Reime nicht erfunden, sondern die Schriften auf dem Haus „Kleiner Römer“ gelesen und sich eine Geschichte ihrer Entstehung ausgedacht. Diese ist dann 1860 erschienen. Woher stammen also die Worte auf dem Haus? Es gibt ein Volkslied im dritten Band „Des Knaben Wunderhorn“, gesammelt von Clemens von Brentano und Achim von Armin, in dem ein Teil der Reime und das Liebesmotiv in Pfeiffers Novelle bereits anklingen:
Heimlicher Liebe Pein.
Mein Schatz der iſt auf die Wanderſchaft hin,
Ich weiß aber nicht, was ich ſo traurig bin,
Vielleicht iſt er todt, und liegt in guter Ruh,
Drum bring ich meine Zeit ſo traurig zu.
Als ich mit meim Schatz in die Kirch wollte gehn,
Viel falſche falſche Zungen unter der Thuͤre ſtehn,
Die eine redt dies, die andre redt das,
Das macht mir gar oft die Auͤgelein naß.
Die Diſtel und die Dornen, die ſtechen alſo ſehr,
Die falſchen falſchen Zungen aber noch viel mehr,
Kein Feuer auf Erden auch brennet alſo heiß,
Als heimliche Liebe, die Niemand nicht weiß.
Ach herzlieber Schatz, ich bitte dich noch eins,
Du wolleſt auch bei meiner Begraͤbniß, ſeyn,
Bei meiner Begraͤbniß, bis ins kuͤhle Grab,
Dieweil ich dich ſo treulich geliebet hab.
Ach Gott! was hat mein Vater und Mutter gethan,
Sie haben mich gezwungen zu einem ehrlichen Mann,
Zu einem ehrlichen Mann, den ich nicht geliebt,
Das macht mir ja mein Herz ſo betruͤbt.
Der gesamte Reim (ein altes deutsches Sprichwort) ist aber u.a. bereits im 1684 von Johann Balthasar Schupp herausgegeben Buch „Lehrreiche Schrifften, Deren sich Beydes Geist- als Weltliche, weß Standes und Alters sie auch sind, nützlich gebrauchen können“ abgedruckt:
„Eben ein solches Feuer richtet eine verlogene Zunge an. Jener alte Teutsche sagte: Dorn und Distel stechen sehr / falsche Zungen noch viel mehr / noch wollt ich lieber unter Dorn und Distel baden / als mit falschen Zungen.„
Der Anfang des zweiten Reims scheint ebenfalls ein altes Sprichwort zu sein. Es taucht bereits in einem 1666 in Frankfurt gedruckten Buch auf, im „Conciones miscellaneae d. i. unterschiedliche Predigten von allerhand Materien…“ von M. Hartmanno Creido (der Eingebildete?):
Wann Neid brent wie Feuer / So wär das Holtz nicht so theuer.
Auch in der 1790 erschienen Schrift „Chronic von Berlin oder Berlinische Merkwürdigkeiten, siebtes Bändchen“ ist eine Fortsetzungsgeschichte in Dialogform abgedruckt in der dieser Text vorkommt:
„Wenn der Neid brennt wie das Feuer, so wär das Holz nicht halb so theuer. Dieses Verschen habe ich auf einer irdenen Schüssel gelesen und es sehr bewährt gefunden.“
Die abgedruckte Geschichte heißt übrigens „Bewährtes Mittel eine reiche Frau zu bekommen“.
Ein letztes: Der letzte Teil scheint schon im alten Griechenland bekannt gewesen zu sein:
Wenn Gott giebt, dann hilfft kein Neyd; wenn Gott nicht giebt, hilfft keine Arbeit. Wären der Neyder noch so viel, geschieht doch, was Gott haben wil.
Also weder Pfeiffer noch Brentano, sondern der Volksmund ist der Urheber – mit ein bisschen Spicken bei den alten Griechen.
Neugierig geworden? Mehr zum Thema Literatur und DomRömer können Sie hören und sehen auf einem literarischen Spaziergang durch die Neue Altstadt: